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Das Waldsterben

Das Waldsterben

Fichten in drei Stadien der Kronenverlichtung
Fichten in drei Stadien der Kronenverlichtung

Auslöser für die Debatte über das Waldsterben Anfang der 1980iger Jahre war das Absterben großer Waldflächen in den Mittelgebirgen – im Erzgebirge und im Fichtelgebirge, im Schwarzwald und im Harz. Die Gebiete wurden nach und nach auf großen Flächen geräumt – und fielen damit auch aus der Statistik.

Bereits 1987 war die Debatte um das Waldsterben in Deutschland weitgehend abgeklungen. Die Wälder starben nicht mehr gleichzeitig auf so großen Flächen ab. Die genauen Ursachen sind bis heute nicht geklärt, möglicherweise aber  führte die durch die starke Reduktion des Schwefeldioxids (SO2 zu einem Rückgang der schnellen Absterbeprozesse.

Der großflächige Zusammenbruch der Fichtenwälder durch Borkenkäfer (dessen Ursache in einer Vorschädigung der Bäume liegt) im Bayerischen Wald etwa wurde lediglich als „lokales“ Ereignis heruntergespielt. Andere Umweltdesaster wurden wichtiger.

Nur die jährlichen Waldzustandsberichte sowie zahllose Fachveröffentlichungen, nahmen sich noch des Problems der Waldschäden an.
Als Ganzes wurden diese Forschungsarbeiten  nur in einer einzigen Veröffentlichung (Stand: 1992) ausgewertet.

1997 legte das Umweltbundesamt (UBA) die „Auswertung der Waldschadensforschungsergebnisse 1982 – 1992“ vor. Darin heißt es zusammenfassend: „Die Ergebnisse der Waldschadensforschung belegen die maßgebliche ursächliche Beteiligung anthropogener Luftverschmutzung an den Waldschäden, wobei ein oberirdischer (direkter) Schädigungspfad über Krone und Blätter und ein unterirdischer (indirekter) Schädigungspfad über Stoffeintrag in den Boden wirksam sind. Die Ergebnisse der Waldschadenserhebungen, der Depositionsmessungen an Waldstandorten sowie der Waldökosystemforschung zeigen, daß die Waldökosysteme in Deutschland auch weiterhin ernsthaft gefährdet sind“.

Als Grund wird genannt: „Die chronische Belastung der Luft mit Schadstoffen ist nach wie vor zu hoch“ 1)UBA: Berichte 6/97.
Bereits 1981 hatte der Forstwissenschaftler Prof. Dr. Peter Schütt (LMU München) mit dem Begriff „Waldsterben“ die Stresshypothese formuliert, die nach wie vor Gültigkeit hat: „Die Bäume befinden sich infolge jahrelanger Umweltbelastung in einem Stresszustand und sind deshalb nicht mehr voll in der Lage, den Angriffen von Krankheitserregern und tierischen Schädlingen zu widerstehen“ 2)Peter Schütt 1981, zit. nach: www.waldklein.de.

Der Begriff „Waldsterben“ hatte also in erster Linie mit den starken Gefährdungen der Wälder und Waldökosysteme durch Luftschadstoffe an allen Standorten zu tun – und die bestehen weiterhin.  Heute kommt als weiterer Stressfaktor der Klimawandel hinzu – dessen Ursache ebenfalls in der Luftverschmutzung liegt.

2007 schrieb das UBA über die Waldschäden: „Die regelmäßigen Waldzustandsbeobachtungen zeigen immer deutlicher, wie tief greifend Luftverunreinigungen die Waldökosysteme beeinflussen: Jahrzehntelang anhaltende Einträge von Schwefel und Stickstoff haben z. B. in den Waldböden zu langfristig wirksamen Veränderungen, z.B. massivem Nährstoffverlust und Versauerung, geführt. Damit geht auch eine Belastung des Sickerwassers mit Nitrat, Schwermetallen und anderen Schadstoffen einher. Insbesondere Extremsituationen wie im Jahr 2003 (Trockenstress, hohe Ozonwerte) verdeutlichen das Ausmaß der Schwächung der Waldökosysteme.“

Nach den Aussagen des letzten Waldzustandsberichtes (2007) der Bundesregierung 3)Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2007 sind drei Viertel der deutschen Wälder sichtbar geschädigt (Schadstufen 1 – 4). Der Anteil schwerer Schäden liegt bei 25 Prozent.

Bei Buchen und Eichen liegt der Anteil geschädigter Bäume bei 85 Prozent! Nur noch 14 Prozent der Eichen zeigen keine Kronenverlichtungen, bei der Buche sind nur 15% voll belaubt 4)Statistiken s.: www.waldklein.de.  Diese beiden Baumarten sind es aber, die von Natur aus den größten Teil unserer natürlichen Waldökosysteme prägen würden.

Wälder – und Einzelbäume – sind stärker als andere Vegetationsformen betroffen, da sie mit ihrer großen Kronenoberfläche Schadstoffe ausfiltern, von Natur aus sehr langlebig sind und deshalb Gifte anreichern.

Besonders gefährdet sind Bergwälder an der Alpennordseite, der Südseite und entlang der Transitrouten, aber auch Mittelgebirgswälder. Häufige Temperaturschichtungen (Inversion), erhöhte Wolken- und Nebelbildung sowie starke Sonneneinstrahlung bewirken eine zusätzliche Anreicherung (und Umwandlung, z.B. in Ozon) der emittierten Schadstoffe.

Wie Langzeitmessungen an waldnahen Stationen in Österreich gezeigt haben, steigen die Ozonwerte (Jahresmittelwerte) seit 1990 besonders in Höhen zwischen 500 m ü. NHN und 1000 m ü. NHN deutlich an. In diesen Höhenstufen sind nicht standortsgemäße und damit besonders labile Fichtenbestände besonders stark vertreten (s. „Zustand der Bergwälder“) 5)www.waldwissen.net : Friedl Herman, Stefan Smidt (2005):Tief- und mittelmontane Fichtenwälder in Österreich am stärksten durch Ozon gefährdet.

Auch andere Schadstoffeinträge in die Bergwälder sind besonders hoch. Häufige Temperaturschichtungen (Inversion) entlang des Alpenrandes und an den Talflanken der Alpentäler bewirken eine Anreicherung der emittierten Schadstoffe. Auch die Höhenlagen im Bereich der natürlich vorkommenden subalpinen Fichtenwälder sind betroffen. Nebel und Wolken, die sich vor allem in der subalpinen Lage  bilden, können bis zu zehnfach erhöhte Schadstoffkonzentrationen im Vergleich zum Regenwasser haben 6)www.waldwissen.net: Friedl Herman, Stefan Smidt: Schadstoffe im Nebel belasten Berglagen maßgeblich, 2005.

Die Belastung durch Luftschadstoffe stellt für die Wälder seit Jahrzehnten einen bedeutenden Risikofaktor dar. Obwohl der Ausstoß von Luftschadstoffen verringert wurde, ist er angesichts der dauerhaften Belastung der Wald-Ökosysteme noch immer viel zu hoch. Die „Critical Loads“ für Ozon- und Stickstoffverbindungen werden seit Jahrzehnten überschritten.

Die emittierten Schadstoffe wirken einzeln oder im komplexen Zusammenspiel (mit Hunderten von Komponenten) unterschiedlich auf die Waldökosysteme und haben Folgen:

  • durch Stickstoffüberschüsse im Gesamtsystem („Eutrophierung“),
  • durch  „saure“ Niederschläge („Saurer Regen“) und damit Versauerung und Basenverarmung der Waldböden
  • durch veränderte luftchemische Reaktionen mit der Entstehung von Photooxidantien wie Ozon.

Wie sich diese Stoffe – insbesondere die Photooxidantien – bei noch höherer Erwärmung verhalten werden, gehört zu den beängstigenden Szenarien des Klimawandels.

Da die Kombination von Stressfaktoren eine größere Wirkung hat als ein einzelner Stressfaktor, sind schadstoffbelastete Wälder empfindlicher gegenüber Klimaextremen (wie Frosteinbruch, Trockenheit, Sturmwurf) oder Insektenbefall.

Das Ausmaß der Schwächung der Waldökosysteme wird in Extremsituationen besonders deutlich: Das Jahr 2003 mit seinem Trockenstress und den hohen Ozonwerten (Ozon wirkt direkt als Pflanzengift und ist auch ein Treibhausgas) zeigte die zusätzliche starke Stress-Belastung durch den Klimawandel.
Direkte Schäden durch Ozon treten vor allem in heißen Sommern (wie 2003) auf.

„Die Häufigkeit und Intensität der im Sommer 2003 aufgetretenen Symptome unterstreicht, dass Ozon einen ernstzunehmenden Stress- und Schädigungsfaktor für die Wälder (Buchenwälder) am nördlichen Alpenrand darstellt. Die Befunde belegen akuten Ozonstress, in der Vegetationsperiode 2003. In der Untersuchungsregion haben die Ozonwerte aber auch in den Jahren zuvor (teilweise sogar um ein mehrfaches) kritische Belastungsgrenzen überschritten, sodass überdies von chronischem Ozonstress auszugehen ist. Dieser führt schon lange vor dem Ausprägen sichtbarer Schadsymptome zu pflanzeninternen Abwehr- und Anpassungsreaktionen, die eine verminderte Vitalität sowie eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber anderen Stressfaktoren zur Folge haben“ 7)Dittmar, C.; Elling, W.; et.al., 2004: Symptome an Esche, Bergahorn und Buche am nördlichen Alpenrand: Ozonbelastung und Schadsymptome im Extremsommer 2003 – AFZ 59, 13: 683-685.

Chronische und latente Schäden durch Ozon und andere Schadstoffe werden oft erst im Zusammenspiel mit anderen Stressfaktoren deutlich – wie Stürmen oder langen Trockenphasen. Die belasteten Bäume und Wälder reagieren viel empfindlicher auf die Folgen des Klimawandels als gesunde:

  • Trockenheit verstärkt die Bodenversauerung und schädigt direkt (Trockenstress) wie indirekt (Versauerung) das Feinwurzelsystem der Bäume,
  • Wälder auf versauerten Böden sind sturmwurfgefährdeter,
  • geschwächte Bäume fallen schneller um,
  • Insekten wie Fichten-Borkenkäfer vermehren sich stärker bei Wärme, breiten sich mit der Erwärmung im Gebirge höher aus und befallen vor allem vorgeschädigte Bäume,
  • Veränderungen in der Artenzusammensetzung der Bodenvegetation konnten belegt werden.

Wie die letzten Jahre gezeigt haben, hat der Klimawandel mit einer Zunahme von  Wetterextremen – stärkere und häufigere Stürmen, Starkniederschläge, Hochwasser, häufigere und längere Trockenheits-, Dürre- und Hitzeperioden – erhebliche Auswirkungen auf die Wälder. Über die direkten Schäden hinaus kommt es durch den Klimawandel bereits zu massiven „inner-ökosystemaren“ Störungen wie:

  • Veränderung der Phänologie der Arten,
  • veränderte Wirt–Parasit–Verhältnisse (sogar Symbionten können zu Parasiten werden),
  • neue Krankheiten (wie Phytophtora an Buche, Erle, Eiche) sowie neu vorkommende Insekten, die mit den veränderten Bedingungen gut zurecht kommen.

Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob die Waldökosysteme mit der Geschwindigkeit des Klimawandels mithalten können.

In unserer Gletscher–Vergleichsdokumentation „Gletscher im Treibhaus“ 8)www.gletscherarchiv.de haben wir gezeigt, wie schnell die Alpen–Gletscher schmelzen und was dies mit dem Klimawandel zu tun hat. Am erschreckendsten ist dabei die Dynamik und Geschwindigkeit des Klimawandels.

Diese Geschwindigkeit überfordert zunehmend die Anpassungsfähigkeit der Bäume und der Ökosysteme: „Die gemächliche Wanderungsgeschwindigkeit der Bäume kann mit den galoppierenden Klimaänderungen der kommenden Jahrzehnte nicht mehr Schritt halten. Unsere Bäume verlieren in immer stärkerem Maße in ihrem Verbreitungsgebiet ihre seit Jahrtausenden bewährte Anpassung“ 9)Hartmut Graßl, in: Der Klimawandel – zu schnell für jeden Baum, LWF aktuell, 60, 2007.

Die Auswirkungen zeigen unsere Waldvergleiche an vielen Beispielen.